PlatonAristotelesEpikurSpinozaLockeKantHegelMarxAdornoMarcuseBloch

        Erinnyen Nr. 20 Logo                 zeitschift groß  

erinnyen aktuell reiterseitenreiter ohilosophieseiteSchuledialektik InternetkurseDialektikvereinBuchladenWeblog / TagebuchRedakteur privat


Startseite Button
Ethik Button
Ethikbutton
Vorträge Button
Rezensionen Button
Über uns Button

NewsletterAnmelgung

RSS-Feed Botton

 

 

 

 

 

 

 

 

Logo Moralische Subjektivitaet

5. Das moralische Ich

Der Mensch als vernunftbegabtes Sinnenwesen mit eigener Erfahrung in konkreten Zeiten und Räumen ist niemals bloß individuell. Er ist aber auch nicht auf ein „Ensemble gesellschaftlicher Verhältnisse“ (Marx) restringierbar. Sondern er ist beides: Individuum und Geist (Allgemeines), beides ist in  ihm unlösbar verquickt. Wenn Aristoteles und Kant das eigentliche Selbst des Menschen als sein Geist- oder Vernunftwesen bestimmen, dann ist das insofern richtig, als der Mensch als bloßes Sinnenwesen gar nicht mehr existieren könnte. Zu seiner Geistnatur, die sowohl Natur (Anlage zum begrifflichen Denken) wie Kultur (die tradierte Bildung in ihm) ist, gehört seine anthropologische Bestimmung als moralisches Wesen.

Jeder Mensch hat Moral verinnerlicht, falls seine Sozialisation einigermaßen gelungen ist. Wenn jemand behauptet, er habe keine Moral, dann kann er dies nur sagen, wenn er weiß, was Moral ist, also widerspricht er sich selbst, denn er hat ein Bewusstsein von Moral. Ein Mensch ohne Moral könnte gar nicht in der Gesellschaft, sei sie kapitalistisch oder sozialistisch, existieren. „Es ist niemand, selbst der ärgste Bösewicht, wenn er nur sonst Vernunft zu gebrauchen gewohnt ist, der nicht, wenn man ihm Beispiele der Redlichkeit in Absichten, der Standhaftigkeit in Befolgung guter Maximen, der Teilnehmung und des allgemeinen Wohlwollens (und noch dazu mit großen Aufopferungen von Vorteilen und Gemächlichkeit verbunden) vorlegt, nicht wünsche, daß er auch so gesinnt sein möchte. Er kann es aber nur wegen seiner Neigungen und Antriebe nicht wohl in sich zu Stande bringen; wobei er dennoch zugleich wünscht, von solchen ihm selbst lästigen Neigungen frei zu sein.“ (Kant: G.M.S., S. 90 f./BA 112 f.)

Spätestens im Kindergarten lernt das Kind, dass es seinem Spielgefährten nicht gegen das Schienbein treten oder im Supermarkt keine Bonbons stehlen darf. Die Moral eines Menschen hängt nicht von der Menge des Wissens ab, solange er nur ungefähr ahnt, was richtig und falsch ist. Selbstverständlich kann Bildung das moralische Empfinden, das aus der Achtung vor dem Moralgesetz folgt, differenzieren und sensibilisieren. Aber ob jemand in einer schwierigen Entscheidungssituation moralisch standhaft bleibt oder versagt, hängt mehr von der Festigkeit seines Charakters als von der Menge seines Wissens oder der Schnelligkeit im Denken (Intelligenz) ab. Bildung (vor allem moralphilosophische Bildung) ist aber notwendig, um in sich zwischen allgemeiner Moral nach dem Moralgesetz und den trainierten Moralbestimmungen, die jemand für den Verkauf seiner Arbeitskraft benötigt, zu unterscheiden. Die erstere ist autonom und legitimes Konstituens des eigenen Selbst, die kapitalistische Fabrikmoral und moralische Ideologie ist heteronom und kann sich bis zur inneren Feindschaft mit seinem wahren Selbst steigern. (Vgl. zu dieser Problematik: Gaßmann: Widerstand, S. 61 ff.)

Gewöhnlich ist die Moral im Gewissen verinnerlicht. Wenn ein Teil des Gewissens aber zum inneren Feind wird, dann muss das Gewissen der Reflexion durch die Vernunft unterworfen werden. In einer Welt mit pluralistischen Moralansprüchen kommt das Individuum nicht ohne moralisches Selbstbewusstsein aus. Es ist dann ein reflektiertes Bewusstsein. Das Resultat dieser Reflexion wäre im Idealfall die Ersetzung des Gewissens durch die praktische Vernunft, die als bewusste zwischen den verschiednen Moralansprüchen differenzieren und entscheiden kann.

Zurück zum Anfang

Würde

Durch das Moralgesetz, das auf der Autonomie des moralischen Subjekts beruht, hat das Individuum Würde. Autonomie ist die Gesetzgebung des Menschen aus Vernunft. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Egonomie, der Selbstgesetzgebung durch das empirische Ich. Wenn sich heute einige politische Gruppen „Autonome“ nennen, dann geht oft aus ihren Aktionen hervor, dass sie eher Egonome sind denn Autonome. Aufgrund der Autonomie gibt sich die reine Vernunft das Moralgesetz. So ist jeder einzelne Gesetzgeber und zugleich seinem autonom gesetzten Moralgesetz unterworfen. „Autonomie des Willens ist die Beschaffenheit des Willens, dadurch derselbe ihm selbst (unabhängig von aller Beschaffenheit der Gegenstände des Wollens) ein Gesetz ist. Prinzip der Autonomie ist also: nicht anders zu wählen, als so, daß die Maximen seiner Wahl in demselben Wollen zugleich als allgemeines Gesetz mit begriffen seien.“ (Kant: G.M.S., S. 74 f./BA 87)

Als Sinneswesen steht das Individuum unter den Naturgesetzen und dem Zufall, als solches ist es heteronom bestimmt. Als moralisches Wesen jedoch steht es unter dem selbst gegebenen Moralgesetz, weil dieses die Beziehung zu den anderen vernunftbegabten Menschen regeln soll, die sich ebenfalls durch ihre Vernunft bestimmen lassen können. Insofern bindet das Moralgesetz die gesamte Menschheit, auch wenn nicht jeder neu das Moralgesetz erfinden muss, sondern er wird dadurch zum Gesetzgeber, dass er mit seiner Vernunft, dem Vermögen, das bei allen Menschen gleich ist, das Moralgesetz und seine Begründung einsieht.

Aus der Autonomie der menschlichen Vernunft und ihrem Produkt, dem Moralgesetz, folgt die Würde des Menschen. Er ist Selbstzweck, hat einen absoluten Wert und darf keinen von Menschen gemachten Gesetzen und Forderungen unterworfen werden, die seiner Autonomie und Selbstzweckhaftigkeit widersprechen. Die Würde eines vernünftigen Wesens besteht demnach darin, „daß es keinem Gesetze gehorcht, als dem, das es zugleich selbst gibt“ oder geben könnte (Kant: G.M.S., S. 67/BA 77). Konkrete Handlungen, Vorschriften und positive Gesetze, die nicht vor dem Richterstuhl der Vernunft, insbesondere dem Moralgesetz, bestehen können, beeinträchtigen oder zerstören gar die Würde des Menschen und sind deshalb zu verhindern bzw. abzuschaffen.

Nun hat eine Vernunftmoral die Schwierigkeit, ihre Resultate unter den Menschen zu verallgemeinern, weil viele Bereiche des heutigen gesellschaftlichen Lebens heteronom bestimmt sind. Es ist nicht in erster Linie die menschliche Sinnlichkeit, die der weltweiten Verwirklichung des Moralgesetzes entgegensteht. „Um das zu wollen, wozu die Vernunft allein dem sinnlich-affizierten vernünftigen Wesen das Sollen vorschreibt, dazu gehört freilich ein Vermögen der Vernunft, ein Gefühl der Lust oder des Wohlgefallens an der Erfüllung der Pflicht einzuflößen, mithin eine Kausalität derselben, die Sinnlichkeit ihren Prinzipien gemäß zu bestimmen.“ (A.a.O., s. 98/BA 123) Sondern es sind vor allem die gesellschaftlichen Verhältnisse und ihre Ökonomie, die das Moralgesetz verhindern und damit die Würde des Menschen, die er an sich hat, zerstören. Denn in der entfremdeten Kapitalproduktion sind die Lohnabhängigen zum bloßen Mittel degradiert.

„Da der Produktionsprozeß zugleich der Konsumtionsprozeß der Arbeitskraft durch den Kapitalisten, verwandelt sich das Produkt des Arbeiters nicht nur fortwährend in Ware, sondern in Kapital, Wert, der die wertschöpfende Kraft aussaugt, Lebensmittel, die Personen kaufen, Produktionsmittel, die den Produzenten anwenden. Der Arbeiter selbst produziert daher beständig den objektiven Reichtum als Kapital, ihm fremde, ihn beherrschende und ausbeutende Macht, und der Kapitalist produziert ebenso beständig die Arbeitskraft als subjektive, von ihren eignen Vergegenständlichungs- und Verwirklichungsmittel getrennte, abstrakte, in der bloßen Leiblichkeit des Arbeiters existierende Reichtumsquelle, kurz den Arbeiter als Lohnarbeiter. Diese beständige Reproduktion oder Verewigung des Arbeiters ist das sine qua non der kapitalistischen Produktion.“ (Marx: Kapital, S. 596) Allerdings ist diese Degradierung zum bloßen Mittel nicht immer offensichtlich, sondern wird durch die Zirkulationssphäre verschleiert.

Zurück zum Anfang

„Vom gesellschaftlichen Standpunkt ist also die Arbeiterklasse, auch außerhalb des unmittelbaren Arbeitsprozesses, ebenso sehr Zubehör des Kapitals als das tote Arbeitsinstrument. Selbst ihre individuelle Konsumtion ist innerhalb gewisser Grenzen nur ein Moment des Reproduktionsprozesses des Kapitals. Der Prozeß aber sorgt dafür, daß diese selbstbewussten Produktionsinstrumente nicht weglaufen, indem er ihr Produkt beständig von ihrem Pol zum Gegenpol des Kapitals entfernt. Die individuelle Konsumtion sorgt einerseits für ihre eigne Erhaltung und Reproduktion, andererseits durch Vernichtung der Lebensmittel für ihr beständiges Wiedererscheinen auf dem Arbeitsmarkt. Der römische Sklave war durch Ketten, der Lohnarbeiter ist durch unsichtbare Fäden an seinen Eigentümer gebunden. Der Schein seiner Unabhängigkeit wird durch den beständigen Wechsel der individuellen Lohnherrn und die fictio juris des Kontrakts aufrechterhalten.“ (A.a.O., S. 598 f.)

Herrschaft von Menschen über Menschen, auch wenn sie über einen anonymen Mechanismus wie das Kapital vermittelt ist, ist grundsätzlich nicht mit der Würde des Menschen vereinbar. Der erste Artikel des Grundgesetzes, der besagt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, war eine Reaktion auf den deutschen Faschismus. Dieser stellt aber nur einen Extremfall der Entwürdigung des Menschen dar. Die tägliche Entwürdigung durch die kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisse unter dem Schein der Freiheit, die letztlich alle Menschen, auch den Kapitaleigner, zum bloßen Mittel der Kapitalakkumulation machen, ist der Normalfall. Deshalb ist nicht nur der würdelos, der sich diesen Verhältnissen unterwerfen muss, sondern vor allem jener, der sie verteidigt gegen seine Einsicht und Vernunft.

Die Würde dagegen heute bewahren heißt – soweit es die historische Situation zulässt – sich gegen die entfremdete Ökonomie und ihre gesellschaftlichen Verhältnisse zu wenden, die sie aufrechterhält. Würde existiert unter den heteronomen Bedingungen der Kapitalproduktion nur noch im Kampf gegen diese mit dem Ziel, einen Zustand zu etablieren, der die Moralität der Individuen zwanglos ermöglicht.

Anthropologisch ist der Mensch ein Moralwesen. Die avancierte Vernunft bezieht dieses Moralwesen in der historischen Situation des globalisierten Kapitalismus auf das Moralgesetz, wie es Kant zuerst rational begründet hat. Als subjektive Regel existiert das Moralgesetz bereits in vorantiken Kulturen in der Gestalt der „Goldenen Regel“ (positiv gewendet im NT, Mt 7,12; Lk 6,31).

Die Konsequenzen aus dem Moralgesetz sind historisch bedingt. So sind die Lohnabhängigen (wie alle anderen Menschen auch) in ihrem unmittelbaren Lebensinteressen an die Interessen des Kapitals gebunden, zugleich aber müssen sie in ihren reflektierten Überlebensinteressen auf die Abschaffung der Kapitalproduktion dringen.

Der ökonomischen Grund, warum sie an die Interessen des Kapitals gebunden sind, ergibt sich aus den Tendenzen der kapitalistischen Produktionsweise, wie sie in der Marxschen Analyse dieser Ökonomie erklärt sind: „Im Fortgang der kapitalistischen Produktion entwickelt sich eine Arbeiterklasse, die aus Erziehung, Tradition, Gewohnheit, die Anforderungen jener Produktionsweise als selbstverständliche Naturgesetze anerkennt. Die Organisation des ausgebildeten kapitalistischen Produktionsprozesses bricht jeden Widerstand, die beständige Erzeugung einer relativen Überbevölkerung hält das Gesetz der Zufuhr von und Nachfrage nach Arbeit, und daher den Arbeitslohn, in einem den Verwertungsbedürfnissen des Kapitals entsprechenden Gleise, der stumme Zwang der ökonomischen Verhältnisse besiegelt die Herrschaft des Kapitalisten über den Arbeiter. Außerökonomische, unmittelbare Gewalt wird zwar immer noch angewandt, aber nur ausnahmsweise. Für den gewöhnlichen Gang der Dinge kann der Arbeiter den ‚Naturgesetzen der Produktion’ überlassen bleiben, d.h. seiner aus dem Produktionsbedingungen selbst entspringenden, durch sie garantierten und verewigten Abhängigkeit vom Kapital.“ (A.a.O., S. 765)

Dagegen steht das langfristige Interesse der Lohnabhängigen darin, ihren würdelosen Zustand als bloßes Mittel der kapitalistischen Ökonomie abzustreifen, indem sie diese Art der Produktion abschaffen, zumal ihre Existenz auch langfristig gefährdet ist. Dahin hat sich die Warnung von Marx zugespitzt: „Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.“ (Marx: Kapital, S. 529f.) Die kapitalistische Produktionsweise ist aber widersprüchlich, sie entwickelt auch Tendenzen, die eine Hoffnung begründen, sie abzuschaffen. „Mit der beständig abnehmenden Zahl der Kapitalmagnaten, welche alle Vorteile dieses Umwandlungsprozesses (zur Zentralisation  des Kapitals, BG) usurpieren und monopolisieren, wächst die Masse des Elends, des Drucks, der Knechtschaft, der Entartung, der Ausbeutung, aber auch die Empörung der stets anschwellenden und durch den Mechanismus des kapitalistischen Produktionsprozesses selbst geschulten, vereinten und organisierten Arbeiterklasse.“ (A.a.O., S. 790 f.)

Beide Tendenzen, die der Bindung an die bestehenden Verhältnisse wie die der praktischen Kritik an ihnen, sind in der kapitalistischen Produktionsweise angelegt – aber nur als widerstreitende Tendenzen. Welche sich durchsetzt liegt auch an der Entscheidung der Individuen. Für das Individuum bedeutet dies, zwischen den unmittelbaren Lebensinteresse im Kapitalismus und den langfristigen Überlebensinteressen an der Abschaffung dieser Ökonomie zu wählen, welche Tendenz für sein Handelns bestimmend sein soll.

Diese Entscheidung ist aber nicht nur eine Interessenabwägung, denn eine Abschaffung der bestehenden Produktionsweise bedeutet nicht zwangsläufig die Abschaffung von Herrschaft, Würdelosigkeit und Gefahr der Existenz – wie der bürokratische Kollektivismus (Sowjetunion) gezeigt hat. Nur wenn ein wesentlicher Grund die Herstellung eines Zustandes ist, der Moralität erlaubt, kann eine Veränderung zum humanen Fortschritt gelingen. Die Entscheidung, im würdelosen Zustand unter der anonymen Herrschaft des Kapitals oder einer Monopolbürokratie zu verharren oder jegliche Art von Herrschaft ein für allemal abzuschaffen, ist deshalb eine eminent moralische Entscheidung. Sie hängt von dem Moralwesen Mensch ab, das in der traditionellen Arbeiterbewegung vernachlässigt, verdrängt und von den Theoretikern dieser Bewegung verhöhnt wurde.

Zurück zum Anfang

6. Nachtrag: Das moralische Ich heute

Die objektive Tendenz der Sozialisation in der kapitalistischen Gesellschaft zielt auf die Funktionalität der Arbeitskraft in der Mehrwertproduktion ab. Dadurch werden nicht nur Handlungen den Zwecken des Kapitals untergeordnet, sondern auch die Bewusstseine – was verstärkt und gefestigt wird durch die Bewusstseinsindustrie, die ein System von Manipulationstechniken und Amüsements bereithält. Ein solcher Mensch, der in seinen Handlungen angepasst ist - was er muss, um zu leben - und dessen Bewusstsein zugleich von den Ideologen dieser Produktionsweise und ihren aktuellen Moden kolonisiert ist – was sich niemand aufzwingen lassen muss -, büßt die Fähigkeit zur Moralität, zu vernünftigen Maßstäben ein, die eine Distanz zur gesellschaftlichen Wirklichkeit ermöglichen könnten, er verliert die Fähigkeit des moralischen Ichs, autonom zu denken und evtl. entsprechend zu handeln.

Neben der faschistischen Vernichtung durch Arbeit, bei der die Arbeitskraft selbst zerstört wird, also die Senkung des Arbeitslohnes gegen null geht, ist die Gehirnwäsche das geheime Ideal aller Geheimdienste, Sicherheitsorgane und Ideologen der herrschenden Klasse. Wie mit Manipulationstechniken zur Gehirnwäsche sowohl der deutsche Faschismus wie der sowjetische Geheimdienst als auch die demokratischen Sicherheitsdienste im Westen – und das bis heute – experimentieren, zeigt das Buch von Streatfeild. Sein Fazit: „Gehirnwäscheforschung (…) erlebt eine Renaissance.“ (S. 409) (8) Ziel einer solchen Gehirnwäsche ist es, das Individuum völlig unter Kontrolle zu bekommen, also auch sein Bewusstsein zu beherrschen, sodass es seines freien Willens völlig beraubt ist. Setzt sich diese Tendenz fort, dann werden aus uns seelenlose Untote. Die Gehirnwäsche – falls sie denn jemals gelingt - wäre ein größeres Verbrechen an einem Individuum, als es zu töten.

Doch wie alles in der kapitalistischen Gesellschaft ist auch diese Tendenz widersprüchlich. Es wird immer Menschen geben, die ihr moralisches Ich nicht korrumpieren lassen, die sich ein Realitätsbewusstsein über diese Gesellschaft aneignen wollen, das die Kenntnis der besseren Möglichkeiten einschließt. Damit fängt heute der Widerstand an.

Wie man selbst unterm Faschismus einen Rest von Würde bewahrt, beschreibt Anna Seghers in ihrem Roman „Das siebte Kreuz“. Sie erzählt, wie der „moralische Kern“ der KZ-Häftlinge gestärkt wurde, als von sieben Flüchtigen es einer geschafft hatte, ins Ausland zu entkommen. Von den sieben Kreuzen, an denen die Flüchtlinge sterben sollten, blieb ein Kreuz leer. Es zeigte ihnen, die SS war nicht allmächtig, der Versuch der Demoralisierung zerbricht, wenn man sein vernünftiges Selbst im Innern bewahren kann. „an dem Abend, als man zum erstenmal die Häftlingsbaracken einheizte und das Kleinholz verbrannt war, das, wie wir glaubten, von den sieben Bäumen kam, fühlten wir uns dem Leben näher als jemals später und auch viel näher als alle anderen, die sich lebendig vorkommen. (…) Die nasse Herbstkälte drang durch die Decken, durch unsere Hemden, durch die Haut. Wir fühlten alle, wie tief die äußeren Mächte in den Menschen hineingreifen können, bis in sein Innerstes, aber wir fühlten auch, daß es im Innersten etwas gab, was unangreifbar war und unverletzbar.“ (siebte Kreuz, S. 288)

Zurück zum Anfang

Zu: Anmerkungen zum I. Teil / Literatur

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Divider Linie

Hier können Sie Ihre Meinung äußern,
         einen Beitrag in unser Gästebuch fomulieren,
              Kritik üben oder
                    mit uns Kontakt aufnehmen...

Feedbackformular

Divider Linie

 


Datum


Volltextsuche in:
Erinnyen Aktuell
Archiv

Weblog

Mediendialektik:


What's new powered by crawl-it


Weitere Internetseiten und unsere Internetpräsenz im Detail:

Medienseite Logo

 

Archiv Logo


Die letzten Ausgaben der Erinnyen können Sie kostenlos einsehen oder herunterladen:

Abildung Titel Erinnyen Nr. 15

Erinnyen Nr. 16 Titelbild

Erinnyen Nr. 17 Titelbild

Erinnyen Nr. 18 Erinnyen Nr. 18

maskelogo

Die neuesten Artikel auf unserer Webpräsens insgesamt als Headlines auf dieser Website einsehbar:

Überschriften

Eingreifendes Denken mit historischer Aktualität:
Erinnyen Aktuell

Nachrichten aus dem beschädigten Leben:

Tagebuch / Weblog


Unsere Internetkurse zur Einführung in die Philosophie:

Schuledialektik

Unsere Selbstdarstellung in Englisch:

Englische Seite

Die Privatseite unseres Redakteurs und Vereinsvorsitzenden:

Redakteur B. Gassmann

Unser Internetbuchladen:

Erinnyen Nr. 9 Bild

Ethiktiel Abbildung

Logiktitel Bild

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

© Copyright: Alle Rechte liegen bei den Erinnyen. Genaueres siehe Impressum.

Letzte Aktualisierung:  08.09.2009