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5.  Der Grundgedanke der Ethik: Die innere Zustimmung

Zweck der Dialektik und damit der nominalistischen Reflexion der Universalien sowie der darauf basierenden Ethik ist die Praxis, „weil nicht gut getan werden kann, was keinen vernünftigen Grund hat, warum es getan wird“ (Abaelard: Gespräche, S. 287). Die Dialektik ist dann die Hilfswissenschaft  der Ethik. „Denn was für ein Sinn liegt im Studium der Grammatik oder der Dialektik oder der übrigen Wissenschaften für die Erforschung der wahren Glückseligkeit des Menschen? Alle liegen weit unterhalb dieser Höhe und sind unfähig, sich zu einem solchen Gipfel (den die Ethik darstellt, B.G.) emporzuschwingen.“ (A.a.O., S. 109) Dieser Primat der praktischen Philosophie, die bei Abaelard im Wesentlichen Ethik, d.h. „Morallehre“ (a.a.O., S. 105) oder „Moralphilosophie“ (S. 9) ist, unterscheidet sein Denken von der monastischen Philosophie, wie sie in den Klöstern gepflegt wurde, die im Wesentlichen kontemplativ war und in der Schau Gottes ihre Erfüllung fand (vgl. S. 105).  Schon allein dieser Primat der praktischen Philosophie zeichnet das Denken Abaelards als Ausdruck frühbürgerlicher Erfahrung, der beginnenden erweiterten Reproduktion und als Präformierung der Moderne aus. Dies muss sich auch in den einzelnen Bestimmungen seiner Moralphilosophie zeigen.

Vor Abaelard galt die Familie, die Sippe, das Kollektiv, die Tradition als das Bestimmende. Wie der Vater handelte, so der Sohn, wie die Mutter, so die Tochter. Das Kollektiv in welcher Gestalt auch immer war alles, der Einzelne ein untergeordnetes Glied, das sich zu fügen hatte. Zwar galt nicht mehr die Sippenhaft (eine vorantike Institution, die erst die deutschen Faschisten wieder restituierten) nach dem Spruch des Alten Testaments: Was der Vater getan hat, dafür soll nicht der Sohn bestraft werden und was der Sohn getan hat, dafür soll nicht mehr der Vater bestraft werden. Aber das Kollektiv trug eine moralische Mitschuld, wenn eines ihrer Mitglieder über die Stränge schlug. Vor Abaelard wird die Moral einer Person beurteilt nach ihren Taten. Diese waren offensichtlich und konnten wahrgenommen werden. So war zwischen Recht und Moral auch kaum ein Unterschied. (3)

Doch wenn zwei das gleiche tun, muss es nicht das gleiche sein. Man kann gute Werke schaffen mit schlechten Absichten und mit guten Absichten Schlechtes bewirken. Für die moralische Beurteilung eines Menschen und seiner Taten muss seine Absicht, die innere Zustimmung zur Handlung entscheidend sein, nicht deren Resultate, die oft durch die Situation, die nicht in der Macht der Individuen liegt, verfälscht oder von den Absichten entfremdet werden. „Es ist ein allgemeines und überzeugendes Sprichwort, daß es kaum ein Gut gebe, das nicht schade, und kaum ein Übel, das nicht nütze (…) Daher steht fest, daß so ein Übel aus einem Gut hervorgeht und häufig sogar das Gute des Übels Ursache ist.“ (Abaelard: Gespräch, S. 271) Außerdem kann die gleichartige Tat einmal moralisch gerechtfertigt, einmal moralisch verwerflich sein. Daraus folgt, dass die moralische Schuld nicht in den Taten und ihren Folgen liegt, sondern in der Absicht, der inneren Disposition, der Gesinnung und in der Art der inneren Zustimmung zur Tat. „Es ist nämlich nicht das zu beurteilen, was geschieht, sondern mit welcher Gesinnung etwas geschieht, und nicht im Werk, sondern in der Intention des Handelnden bestehen Verdienst und Lob.“ (Abaelard: Ethica, S. 37) Dass die Werke dennoch im Recht einbezogen werden müssen, ist keine moralische Frage (siehe unten: Legalität). Entscheidend für Abaelards Moralphilosophie ist für das Gute die innere Zustimmung aus Liebe zu Gott (Vernunft) und für das Böse die innere Zustimmung zur Sünde aus Verachtung Gottes.

„So können Tyrann und Fürst dasselbe Schwert böse und gut benutzen, jener freilich zur (ungerechtfertigten, B.G.) Gewalt, dieser zur Strafe; und es gibt, glaube ich, keine Werkzeuge oder was immer zu unserem Gebrauch bestimmt ist, die wir nicht je nach der Qualität unserer Absichten ebenso böse wie gut benutzen können: hierfür macht es offenbar nicht aus, was geschieht, sondern in welcher Gesinnung es geschieht. Daher ist jeder beliebige Mensch, ebenso der gute wie der schlechte, Ursache ebenso der guten wie der schlimmen Dinge, und durch sie tritt ebenso Gutes wie Schlimmes ein.
   Denn der gute Mensch scheint sich vom schlechten nicht darin zu unterscheiden, daß er das tut, was gut ist, sondern eher darin, daß er gut handelt.“ (Abaelard: Gespräch, S. 273)

Günther Mensching ordnet diese Stelle folgendermaßen in die Geschichte der Moralphilosophie ein: „Dies ist der Kern der Modernität in Abaelards Ethik. Denn hier artikuliert sich ein Bewusstsein, dem die Welt der Einzeldinge nicht länger metaphysisch und deshalb auch moralisch bedeutungslos ist. Wie die Einzeldinge im Nominalismus überhaupt zur ontologischen Realität erhoben werden, so tragen in der Morallehre Abaelards die einzelnen Menschen als solche die Triebfeder zu moralischem Handeln in sich. Abaelards Schrift Scito te ipsum stellt deshalb den Entwurf der ersten Individualethik dar, die im Mittelalter aufgetreten ist.“ (Moralität, S. 428)

Wäre das Laster als innere Zustimmung zur bösen Tat eine Wesensbestimmung des Menschen, dann wäre ein Zusammenleben der Menschen unmöglich, die Gesellschaft würde zerbrechen. Abaelard drückt diesen Sachverhalt in dem theologischen Gedanken aus, dass Gott die Menschen nicht das Laster als Wesensbestimmung mitgegeben haben kann bei seiner Schöpfung. Das Laster ist die Nicht-Achtung Gottes durch die innere Zustimmung zu der bösen Tat, der Übertretung der moralischen Gesetze. Somit ist das Laster negativ bestimmt. „Indem wir die moralische Verfehlung in dieser negativen Weise definieren – wir sprechen ja von einem Nicht-Tun des Rechten oder einem Nicht-Unterlassen (des Unrechten) -, zeigen wir deutlich, daß es keine Substanz des moralischen Fehlers gibt, da er eher in einem Nicht-Sein als in einem Sein besteht; so bezeichnen wir auch bei der Definition des Wortes ‚Dunkelheit’ diese als Abwesenheit des Lichts, während dem Licht das Sein zukommt.“ (Abaelard: Ethica, S. 7)

Die innere Zustimmung zu brutalen Taten zu rechtfertigen, ist ein moralischer Fehler einiger Arbeiterführer wie z.B. den oben zitierten Trotzky. Den Bürgerkrieg in Sowjetrussland nach 1917 kann man evtl. noch als aufgezwungen ansehen, sodass die Revolutionsregierung der Volkskommissare ihn führen musste. Den Brutalitäten aber die innere Zustimmung zu geben, sie auch moralisch zu rechtfertigen, wie Trotzky es macht, hat nicht nur die Moral in diesem historischen Moment suspendiert, sondern Moralität aus dem nachfolgenden Leben in der Sowjetunion eliminiert (abgesehen von Moral als Mittel zur Motivierung zur Arbeitsleistung). Dadurch wurde Amoralität zum Wesensmerkmal des Sowjetmenschen (abgesehen von den privaten Nischen) mit der politischen Konsequenz, dass sich diese Gesellschaft innerlich zersetzt und schließlich zerstört hat. Letztlich gilt dies auch für die Amoralität der kapitalistischen Gesellschaft, die allerdings durch einen wenn auch anarchischen Markt und die entfremdeten Mechanismen der Ökonomie zusammengehalten wird, während die sowjetische (und DDR-) Gesellschaft wesentlich durch eine ideologische und herrschaftliche Moral ohne Moralität sich regelte.

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Letzte Aktualisierung:  08.09.2009