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Aphorismus Titel

Die neuronale Revolution

Ein Vortrag von Prof. Dr. Armleuchter über die Möglichkeiten der Hirnforschung

Meine Damen und Herren,

was wir als Neurobiologen inzwischen leisten können, wird gerade jetzt, in der Finanzkrise, klar. Wir hatten bereits die Antwort auf die Ursachen der Finanzkrise, als sie noch gar nicht ausgebrochen war. Es sind die Dopaminrezeptoren im Gehirn, die sie ausgelöst haben. Es gibt nämlich Gehirnareale, die ein Belohnungszentrum sind und die bei einigen Menschen besonders stark ausgeprägt sind. Besonders die Gier nach Geld aktiviert dieses Belohnungszentrum mit dem Dopaminausstoß, sodass ein ungeahntes Wohlbefinden zu verspüren ist. Menschen mit einer Gier nach Geld, die hier ihre neuronalen Grundlagen hat, werden deshalb besonders stark zum riskanten Zocken animiert. Dies sind Menschen mit genbedingter Finanzgier, deren Belohnungssystem je mehr gereizt wird, je höher der Geldbetrag ist, mit dem diese Börsenzocker spielen. Sie sehen, meine Damen und Herren, Karl Marx irrte sich, als er die Wurzel der Finanzgier in ökonomischen und sozialen Mechanismen verortete. Nein, sie liegt in der speziellen Hirnstruktur einiger Menschen.

Aus unserer neuen Wissenschaft der Neuroökonomie heraus haben wir deshalb der Kanzlerin und den Ministerpräsidenten einen Vorschlag gemacht. Börsenzocker mit genbedingter Finanzgier sind in der Wirtschaft schärfer zu kontrollieren und zu begrenzen. Sie sind aber nicht nur negativ zu sehen, da sie auch Visionäre für zukünftige Gewinne sind und so die Entwicklung vorantreiben. Sie müssen aber durch Buchhaltertypen, deren Dopaminausstoß wesentlich geringer ist, eingegrenzt werden. Die gesunde Mischung von Visionären und Buchhaltertypen ist also die Lösung für eine gesunde Volkswirtschaft. Den Schlüssel dazu hat die Neurobiologie in der Hand. Wenn die Verantwortlichen in den Aufsichtsräten und der Regierung die angehenden Finanzmanager zu uns schicken, damit wir sie durch unseren Kernspintomografen durchschleusen können, dann können wir sagen, wie stark das Belohnungssystem erregbar ist, wer also zu welchem Typ gehört und entsprechend eingesetzt werden kann. Ich möchte die Aussage wagen, wenn wir alle Menschen hierauf und auf die anderen Hirnregionen untersuchen und die Politik unsere Schlussfolgerungen verwirklichen würde, dann hätten wir eine perfekte Gesellschaft ohne Finanzkrise, ohne Kriminalität und ohne soziale Aggressivität. Für alle diese Missstände gibt es biologische Ursachen, die wir durch neuronales Management neutralisieren oder wegoperieren oder – wenn es nötig ist – auch durch Exodus der Großhirnrinde, in der die Illusion des Bewusstseins entsteht, liquidieren können.

Alles, was wir denken, fühlen und wollen, geht vom Gehirn aus. Jede Tat nimmt ihren Ausgangspunkt im neuronalen Geschehen unseres Gehirns. Die Materie des Gehirns ist der eigentliche Geist des Menschen. Da ist es kein Wunder, wenn unsere Forschung inzwischen zur Leitwissenschaft geworden ist. Auch die Einzelwissenschaften basieren auf neuronalen Diversifizierungen, die wir in gleichberechtigter Zusammenschau der Erste-Person- und der Dritte-Person-Perspektive herausfinden. Deshalb haben wir den Anspruch, nicht nur Einzelwissenschaft zu sein, sondern wir können die Gesamtheit des Wissens auf Gehirnströme, neuronale Verschaltungen und elektrochemische Cluster im Gehirn zurückführen. Neurobiologie ist also keine Spezialwissenschaft, sondern meint die Wissenschaft als solche. Neurophysiologie schließt die Physik, Chemie und Biologie ein, Neuroepistemologie hat die ganze Philosophie in der Tasche – oder besser gesagt, im elektronischen Zeigerausschlag der Messinstrumente. Zwar haben wir noch nicht alle Korrelationen von Gehirnprozessen und Gedanken exakt bestimmt, deshalb benötigen wir weiter Unmengen von Forschungsgeldern, die uns die Politik dankenswerterweise zur Verfügung stellt, aber wir sind uns gewiss, dass die Lösung dieses Problems nur eine Frage der Zeit ist.

   Das Grandiose aber unserer Zunft ist gar nicht mal das, was wir inzwischen schon können, sondern was wir in Zukunft leisten werden. Das Zauberwort heißt „Neuro-Enhancement“. Dieser Begriff, der unsere innere Zukunft ähnlich revolutionieren wird wie das Kopernikanische System das äußere Weltbild, bedeutet die neuronale Therapie von Gehirnen nicht nur zur Verbesserung der Gehirnleistung, sondern bald auch zur Wissensvermittlung. In naher Zukunft werden wir das Wissen der Menschheit einfach durch neue Nervenstränge und Netzwerke von Clustern in das Gehirn implementieren. Ein Sechsjähriger hat dann so viel Wissen anoperiert bekommen, dass er seine Doktorarbeit schreiben kann. Stellen Sie sich den Standortvorteil für unser Land vor! Wir würden hunderttausende Lehrer einsparen und könnten die Kinderarbeit wieder einführen – vielleicht mit Spielzeug am Arbeitsplatz -, aber ohne die Gräuel der Kinderarbeit des 19. Jahrhunderts. Denn die Kinder würden sich geradezu danach drängen, wissenschaftlich zu arbeiten, schon um ihre Langeweile zu vertreiben, die sie haben, wenn sie sich die Schule ersparen können. Und wenn die Operationstechniken der Wissensvermittlung verfeinert würden, dann könnte man vielleicht sogar auf die Öffnung der Schädeldecke verzichten und das Wissen durch die Nase einführen.

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Aber, wie gesagt, daran arbeiten wir noch. Der Grundstein für eine neuronale Fundierung der Gesellschaft ist bereits dank der Forschungsgelder gelegt. Die bisher größte Errungenschaft ist wohl die neuronale Stimulierung des Gehirns, damit es sich in die bestehende Gesellschaft harmonisch einpasst.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass in einer Wirtschaftskrise leicht Unruhen ausbrechen können, vor allem dann, wenn die Menschen durch übermäßige Kritik aufgepeitscht werden, weniger Geld auf dem Lohnkonto haben (kein Dopamin!) oder gar von Arbeitslosigkeit befallen sind. Und Sie wissen auch, dass dagegen nur eins hilft: Religion! - sei es als wunderbare Fernsehshow, sei es die Entzückung, die entsteht, wenn übermenschliche Leistungen eines Sportidols offenbar werden, sei es als faschistische Ideologisierung oder auch als traditioneller Gottesdienst. Damit die Gesellschaft nicht mehr einem impotenten und deshalb kompensationsgeilen Führer anheim fällt, haben wir inzwischen das Gottesmodul im Gehirn entdeckt. Es schlummert in jedem Menschen und dient zur Ruhigstellung sozialer Aggression.

   Damit Sie dieses verstehen, zunächst einmal etwas Grundsätzliches zum Gottesmodul, dessen Entdeckung auch die neue Wissenschaft der Neurotheologie begründet hat. Alles, was wir in unserem Bewusstsein haben, ob Gedanken, Gefühle oder das sogenannte Selbstbewusstsein ist Schein. Aber ein funktionaler Schein, der im Laufe der Evolution sich als vorteilhaft für das Überleben erwiesen hat. Insofern ist auch eine Gottesvorstellung nur Schein, der aber mit bestimmten Hirnregionen korreliert – und diese Region bezeichnen wird als „Gottesmodul“. Lokale Nervenüberaktivitäten im Limbischen System des Gehirns bringen göttliche Visionen hervor. Diese Nervenüberaktivitäten entstehen, wenn das Individuum in Gefahr ist. Es klammert sich dann an seinen Gotteswahn, den das Gehirn erzeugt, und kann so die Krisensituation besser überleben. Während einige Nerven weiter Überaktivitäten zeigen, wird zugleich der obere hintere Scheitellappen des Gehirns kaum mehr durchblutet. Gerade dieser Bereich ist aber für die Orientierung zuständig. Im Bewusstsein entsteht dann ein Trancezustand, in dem das Bewusstsein nicht mehr zwischen Ich und äußerer Welt wie z. B. seinen Körper unterscheiden kann. Es entsteht gleichzeitig das Gefühl absoluter Raumlosigkeit, das christliche Gefühl der Unendlichkeit und Ewigkeit und das buddhistische Gefühl der raum- und zeitlosen Leere. Dieses Gefühl der Spiritualität und Selbsttranszendenz ist mit einem unendlichen Glücksgefühl gepaart.

   Meine Damen und Herren, wir, die Neurotheologen, haben dieses Gottesmodul im Gehirn nicht nur entdeckt, wir können es auch künstlich hervorrufen, stimulieren und steigern. Wenn also die hohe Politik von uns verlangen würde, ein Reich mit einer Religion zu erzeugen, könnten wir selbst den eingefleischtesten Atheisten religiös werden lassen. Es genügen schon ein paar chemische Substanzen, richtig dosiert versteht sich. Jeden Harz-IV-Empfänger können wir ruhig stellen und mit Glückseligkeit beglücken, linke Protestierer strömen in unsere Forschungsinstitute, um sozial-verträglich ihre anthropologische Konstante, das Gottesmodul, stimuliert zu bekommen. Und selbst Drogensüchtige kommen von der Droge los, wenn wir ihnen die entsprechende Pille geben, die sie ins Gottesnirwana schickt. Der alte Marx hat einmal gesagt, Religion sei Opium des Volkes, er meinte damit, dass dies Leben nur erträglich für viele ist, wenn sie das Rauschgift Religion nehmen. Aber sowohl vom Opium als auch von der traditionellen Religion, die in der Kindheit verschaltet wurde, bleibt man ein Leben lang süchtig. Unsere Pillen, die das Gottesmodul aktivieren, sind dagegen nur begrenzt wirksam, sie machen nicht süchtig. Der Mensch kann tagsüber seinem Beruf nachgehen und abends die Glückspille nehmen, die ihm nach dem Abklingen des unmittelbaren Gotteswahns zu Optimismus und Lebensfreude verhilft.

   Sie sehen, meine Damen und Herren, in Zukunft wird es keine Wissenschaft, keine funktionierende Wirtschaft und keine befriedete Gesellschaft mehr geben ohne die Leitwissenschaft Neurophysiologie. Wir werden die Biologisierung aller System- und Lebenswelten forttreiben, bis die Menschen quieken. Selbst das Hungerproblem in der III. Welt können wir lösen durch die Stimulierung des Gottesmoduls - vielleicht mit einer etwas überhöhten Dosis -, denn wer religiös begeistert ist, spürt den Hunger nicht mehr. Und wenn er an Hunger stirbt, dann ist er glücklich gestorben.

   Ich fordere deshalb am Schluss meiner Ausführungen, dass die Hirnforscher zu den politischen Führern der Gesellschaft ernannt oder die Politiker zu Hirnforschern umgeschult werden.

Vielen Dank, meine Damen und Herren, dass Sie mir geglaubt haben. Wir wissen, dass aller Glaube eine Illusion ist, und dann ist es gleichgültig, wem sie glauben.

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Anmerkung der Redaktion
Wir distanzieren uns von allen Lesern, die diesen Text nicht als Satire erkennen (was nicht heißt, wir hätten diese Aussagen erfunden), und übernehmen keine Verantwortung für das Bewusstsein jener Leser. Dieser Hinweis liegt uns besonders am Herzen, da der literarische Analphabetismus (man kann den Text vorlesen, versteht ihn aber nicht) immer mehr gefördert wird auch durch Internetseiten wie Twitter (Beschränkung auf 140 Wörter), Schlagzeilenjournalismus, „Fokus“ usw. Dagegen sind die Dummköpfe von der Hirnforschung geradezu hoch intelligent, eben weil sie als wissenschaftliche Scharlatane mit ihrem kruden Materialismus auf dem ideologischen Gebiet Erfolg haben und den gewöhnlichen Unibluff perfekt beherrschen.

Eine Anmerkung zur Anmerkung der Redaktion - für die literarischen Analphabeten:
Dummheit heißt: Mangel an Urteilsvermögen; Intelligenz heißt: eine große Menge an Denkoperationen pro Zeiteinheit; beide haben nichts miteinander zu tun.

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Letzte Aktualisierung:  08.09.2009